Wider die Mordischen und Reubischen Rotten der Bauern

Wiki Commons / Hanns Lilje: Martin Luther. En bildmonografi. Stockholm 1966
Titelblatt von Martin Luthers Bauernkriegsschrift
Heute vor 500 Jahren ...
...… kritisiert Martin Luther die aufständischen Bauern in seiner berühmten Schrift Wider die Mordischen und Reubischen Rotten der Bauern aufs Schärfste. Seine Handlungsanweisung zum Umgang mit ihnen lautet:
„Drumb sol hie zuschmeyssen, wurgen und stechen heymlich odder offentlich, wer da kann, und gedencken, das nicht gifftigers, schedlichers, teuffelichers seyn kann, denn eyn auffrurischer mensch, gleich als wenn man eynen tollen hund todschlahen muss, schlegstu nicht, so schlegt er dich und eyn gantz land mit dyr.“
Was veranlasst den Reformator zu solch drastischen Worten? Immerhin haben seine 95 Thesen und Die Freiheit eines Christenmenschen dazu beigetragen, dass die unzufriedenen Bauern neues Selbstbewusstsein schöpfen und zunächst in Süddeutschland ihre Forderungen nach Gerechtigkeit in den zwölf Memminger Artikeln formulierten. U.a. heißt es dort: „Darumb erfindt sich mit der geschryfft, das wir frey seyen und wollen sein.“ Um die Frage nach dem Grund für Luthers Zorn zu beantworten, muss man zunächst die Eskalation des Aufruhrs in den vorangegangenen Monaten betrachten.
Die Ermahnung zum Frieden
Die zwölf Artikel waren Mitte März 1525 veröffentlicht worden, und im April äußert sich Luther in Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben erstmals zu den Forderungen. Luther adressiert hier sowohl die Fürsten als auch die Aufständischen und bemüht sich um Vermittlung. Er stellt fest, dass beide Konfliktparteien Fehler gemacht hätten und fordert Zugeständnisse auf beiden Seiten. Mehrfach warnt er die Aufständischen vor falschen Lehrern, wohl auch mit Blick auf Thomas Müntzer. Luther gibt an, für den Unmut der Bauern Verständnis zu haben, betont aber, dass er selbstsüchtige Forderungen im Namen des Evangeliums nicht gutheißen könne. Ebenso wenig toleriert er die von den Bauern ausgehende Gewalt.
Er selbst habe nie zur Gewalt aufgerufen, vielmehr stehe er für Gehorsam gegenüber der Obrigkeit. Seine Haltung unterstreicht er durch Hinzunahme von Bibelstellen wie „Jedermann sei der Obrigkeit Untertan“ (Röm. 13,1) oder „Wer das Schwert nimmt, der soll durch das Schwert umkommen“ (Mat. 26,52). Dabei ist seine Position gegenüber den Aufständischen nicht uneigennützig, seine Äußerungen zum Aufruhr wirken wie Schadensbegrenzung. Luther zeigt sichtlich darum bedacht, sich und seine Ideen von der Gewalt von unten zu trennen.
Die Kampfansage
Luthers Schlichtungsversuche scheitern schließlich, und die Ereignisse im Frühling 1525 überschlagen sich: Im April hatte sich der Aufstand von Schwaben bis nach Thüringen ausgeweitet, und auch die Weinsberger Bluttat am Ostermontag (17. April), die grausame Hinrichtung des Grafen Ludwig von Helfenstein durch Aufständische, sorgte überregional für Erschütterung. Luther, der sich seit Mitte April in Eisleben aufgehalten hatte und am 20. April nach Stolberg weiterreiste, sah sich angesichts der zugespitzten Lage, auch in seiner unmittelbaren Nähe, gezwungen, eine Art Nachwort zur Ermahnung auf den Frieden zu verfassen. Dabei lässt die Schrift Wider die Mordischen und Reubischen Rotten der Bauern, die wahrscheinlich in der zweiten Maiwoche erschien, versöhnliche Worte gänzlich vermissen. Vielmehr ist Luthers Wortwahl nun derart aggressiv, wie sie zuvor nur dem Papst gegenüber der Fall gewesen war.
Schon zu Beginn vergleicht er im obengenannten Zitat die Aufständischen mit tollwütigen Hunden, die es zu erschlagen gelte, bevor sie zur tödlichen Gefahr würden. Was er von Thomas Müntzer hält, wird nunmehr nicht nur angedeutet. Stattdessen prangert er die Taten des Erzteufels von Mühlhausen an: Hatte Luther zuvor lediglich von falschen Lehrern gesprochen, macht er nun unmissverständlich klar, wer gemeint ist.
Insbesondere „dreierlei gräuliche Sünden“ wirft Luther den Aufständischen vor, mit denen er seine radikal obrigkeitshörige Meinung begründet: Meineid, Ungehorsam gegenüber den Fürsten sowie Aufruhr und böse Taten unter dem Deckmantel des Evangeliums. Außerdem stellt er richtig, dass die Taufe nicht Leib und Gut freimache, sondern ausschließlich die Seelen. In diesem Zusammenhang betont er außerdem, dass nur die Obrigkeit als Gottes Dienerin dazu berechtigt sei, das Schwert zu führen. Ein Fürst müsse Amtmann Gottes und seines Zornes Diener sein. Er geht sogar so weit, die Tötung eines Bauern als gutes Werk zu deklarieren. Allerdings plädiert Luther auch für Gnade gegenüber denjenigen, die gezwungen wurden, sich den Aufständischen anzuschließen und macht so deutlich, dass es ihm vor allem um die Bestrafung und Beseitigung der geistigen Brandstifter des Austandes geht.
Die Katastrophe
Letztendlich vermochte es Wider die Mordischen und Reubischen Rotten der Bauern nicht, die Aufständischen in ihrem Eifer zu bremsen. Am 15. Mai kommt es bei Frankenhausen zur Katastrophe. Schätzungsweise 5000 bis 6000 Aufständische sterben in der Schlacht, und nicht wenige Rädelsführer werden in den Tagen danach hingerichtet, so auch Thomas Müntzer. Nachdem die Nachricht der Tragödie die Runde macht, verfasst Luther auf Anraten seiner Vertrauten den Sendebrief von dem harten Büchlein wider die Bauern. Luther sollte sich von seiner vorherigen Schrift distanzieren, allerdings liest sich dieses Statement nicht als Entschuldigung, sondern vielmehr als trotziges Beharren auf seinen Positionen. Eine klassische nonpology.

Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt
Epitaph für Georg Feuerlein von Veit Thiem, 1563, im Hintergrund rechts ist Schloss Seeburg zu sehen. Hier entstand vermutlich Martin Luthers Bauernkriegsschrift.