Zeternder Abt – Prophezeiende Tochter. Ursula Weydas „Wyder das unchristlich schreyben und Lesterbuch“

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blau eingefärbtes Bild, weiße Sprechblase mit "Heute vor 500 Jahren"

(Etwa) heute vor 500 Jahren

Im Sommer vor 500 Jahren veröffentlichte die junge Ursula Weyda aus Eisenberg eine Streitschrift. Sie reihte sich damit in die Riege der Frauen ein, die während der Reformation das Wort ergriffen. Viele der Schriften von Frauen wurden von der altgläubigen Seite ignoriert. Ursula bekam jedoch Antworten. Nur von wem?

 

Der Abt und sein Bruder

Am Beginn der Geschichte steht zunächst der Abt Simon Blich aus Pegau. „Verderben und Schaden der Lande und Leute an Gut, Leib, Ehre und der Seelen Seligkeit aus Luthers und seines Anhangs Lehre“ betitelte er unmissverständlich seine Flugschrift zu Beginn des Jahres 1524. Das Titelblatt mit den Bibelstellen 2 Kor 11, 13–15 und Röm 16, 17f gibt das Motto der Schrift vor. Beide Stellen warnen vor denen, die falsche Lehren verbreiten. Und so warnte auch Simon Blich vor der Lehre Martin Luthers. Sie richte einen nachhaltigen Schaden an. Recht merkwürdig erscheint es jedoch, dass dieser Geistliche den Schaden explizit auf wirtschaftliche Aspekte bezieht. Länder und Städte würden durch Krieg und die Abschaffung von kaiserlichem und geistlichem Recht untergehen. Handwerkern, die Bildnisse zu Ehren Gottes und seiner Heiligen erschaffen, drohe der Ruin. Die Jugend würde verderben, da das Schulsystem angegriffen werde, und besonders die Universitäten, die einen erheblichen wirtschaftlichen Faktor für die Städte darstellen, seien dem Untergang gewidmet. 

Vielleicht hatte er den Text ja gar nicht alleine geschrieben? Auch Simons Bruder, Dr. Wolfgang Blich, war ein Gegner der Reformation. Als Stadtsyndikus und gebildeter Bürger würde diese kaufmännische Sichtweise eher zu ihm passen. Hatte Simon einfach nur seinen Namen unter die Schrift des Bruders gesetzt? Von der Autorschaft beider Brüder ging auch Ursula Weyda aus.

 

Die Schösserin von Eisenberg

Nicht weit von Pegau, in Eisenberg, las Ursula Weyda die Schrift der zeternden Brüder. Die Landesgrenze zwischen den beiden Orten bedeutete auch eine Konfessionsgrenze. Und so trafen die antilutherischen Gedanken auf einen lutherischen Haushalt. Ursula war mit dem Schösser von Eisenberg, Johann Weyda, verheiratet, der sich durch die strenge Durchsetzung der Reformation einen Namen machte und auch persönlichen Kontakt zu Martin Luther hatte. Als Gattin des höchsten weltlichen Beamten Eisenbergs gehörte Ursula also zur Oberschicht – ein Umfeld, in dem Frauen zu ihrer Zeit eine gute Bildung genießen konnten. Und das zeigte sich, als sie ihre Antwort „Wyder das unchristlich schreyben und Lesterbuch des Apts Simon zu Pegaw unnd seyner Brueder“ verfasste. Auch sie stellte ihrer Schrift mit der Bibelstelle Joel 3,1f ein klares Motto voran. Sie sah sich, wie dort beschrieben, als weissagende Tochter der letzten Tage und zog daraus ihre Ermächtigung, als Frau die Stimme zu erheben. Oder wie sie es später ausdrückte: Luther könne ja nicht jedem Esel antworten. Ihre Darlegungen gliederte sie in drei Teile, jedem stellte sie eine These voran, die sich auf Blichs Ausführungen bezog. Im Gegensatz zu ihm blieb sie aber streng bei den theologischen Themen. Gekonnt argumentierte sie, warum der Bibel und nicht dem Papst zu glauben, die Ehe von Gott eingesetzt und das Klosterleben daher teuflisch sei, und dass Mönche meineidig an Taufe und Glauben seien. Ihrer sachlichen Argumentation fügte sie von zahlreiche Beleidigungen und Entlarvungen des Abtes hinzu.

 

Henricus P.V.H.

Nicht nur ein wenig beleidigt, sondern geradezu wütend reagierte kurze Zeit später ein anonymer Schreiber, Henricus P.V.H., auf Ursulas Streitschrift. Nur für wenige Zeilen in seiner „Antwurt wider das unchristlich Lesterbuch“ hielt er sich an die Struktur der vorangegangenen Schrift, aus der er einzelne Aussagen versuchte zu widerlegen. Bald entfesselte sich aber sein gesamter Groll. Auch er bediente sich einzelner Bibelstellen. Allerdings jener, die besagten, dass Frauen zu schweigen und sich dem Mann unterzuordnen haben. Aus diesem Grund spräche aus Ursula Weyda nicht der Heiligen Geist und ihr Mann sei weich, da er ihr Verhalten zulasse. Und überhaupt seien alle Frauen giftig und böse, der schärfste Pfeil des Teufels und die Bosheit aller Bosheit. Richtig in Fahrt gekommen, weitete er seine Tiraden auch auf Martin Luther und seine Anhänger aus.

Welcher aufgebrachte Gegner der Reformation sich hinter dem Pseudonym verbarg, weiß bis heute niemand zu entschlüsseln. Ein zeitgenössischer, nicht ganz ernst gemeinter Vorschlag: Heintz Pfeyffers von Hümpelbach.

 

Contz Drometers von Niklashausen

Und von wem anderes sollte dieser Vorschlag kommen, als von jemandem, der sich selbst Contz Drometers von Niklashausen nennt. Ein Witzbold, dessen Schrift „Apologia für die Schösserin zu Eisenbergk“ jedoch Hand und Fuß hatte. Fleißig stellte er (oder sie?) Bibelstellen zusammen, die das Handeln Ursula Weydas rechtfertigten. Und er zählte lehrende Frauen in der Bibel auf. Die Frauen sollten nur schweigen, wenn kein Mann da wäre. So sei es auch im Fall der Schösserin gewesen. Auch der Schösser habe richtig gehandelt, denn ein christlicher Mann dürfe seine Frau nicht am Bekenntnis ihres Glaubens hindern. Und natürlich schimpfte von Niklashausen über den Abt und erklärte sämtliche Argumentationen der Brüder Blich und des von Hümpelbach für gescheitert.

Ursula Weyda veröffentlichte keine weiteren Schriften. Mit nur einer Schrift hatte sie es jedoch geschafft, zwei bemerkenswerte Antworten zu erhalten. Keine andere Autorin erhielt öffentlich so heftigen Widerspruch und gleichzeitig so leidenschaftliche Unterstützung.

 

Zum Weiterlesen:

  • Kommer, Dorothee: Reformatorische Flugschriften von Frauen. Flugschriftenautorinnen der Reformationszeit und ihre Sicht von Geistlichkeit (AKThG 40), Leipzig 2013.