Müntzer vor dem Herzog: Johann von Sachsen und die Fürstenpredigt

Bild
gelbliches Papier, einfarbiges Porträt von Thomas Müntzer, Schrift drunter

Christoffel van Sichem, Porträt Thomas Müntzer

Kupferstich, 1608

Heute vor 500 Jahren ...

… am 13. Juli 1524 verkündete Thomas Müntzer in Allstedt, dass die Fürsten endlich ihr Schwert zur Verteidigung der Gläubigen einsetzen sollten, da es sonst verrosten würde. Gerichtet war die sogenannte „Fürstenpredigt“ an Herzog Johann von Sachsen und dessen Sohn Johann Friedrich.

 

Der Herzog im Zugzwang

Wie kam es zu diesem Aufeinandertreffen zwischen Müntzer und dem Herzog? Aufgefallen war der Pfarrer von Allstedt dem Herzog und seinem älteren Bruder Kurfürst Friedrich dem Weisen bereits seit 1523. Seine größte reformatorische Neuerung, die Übersetzung der gesamten Messe in die deutsche Sprache, thematisierten die Fürsten seltsamerweise kaum – wahrscheinlich war sie lange unbemerkt geblieben. Auch, als Müntzer den altgläubigen Grafen von Mansfeld geschmäht hatte und die Allstedter unter seinem Einfluss dem Nonnenkloster Naundorf die Abgaben verweigert hatten, beließen es die Fürsten noch bei einer scharfen Ermahnung. Doch kurz vor Ostern 1524 eskalierte die Situation: Unbekannte zerstörten die Marienkapelle Mallerbach bei Allstedt. Müntzers Anhänger gerieten schnell in Verdacht. 

Johann und Friedrich von Sachsen waren vorsichtige Regenten, die solche Vorfälle genau beobachteten, die Fakten gründlich abwogen und sich keine vorschnellen Urteile erlaubten. Das ließ sich der Nachwelt häufig zögerlich erscheinen. Herzog Johann kritisierte zwar Müntzer, aber sein Bruder wollte abwarten. Hätten sie als Schutzfürsten der Reformation nicht ihr Gesicht verloren, wenn bekannt werden würde, dass es in ihrem Land wegen eines reformatorischen Pfarrers zu Unruhe kam? Ohnehin wollten sie als weltliche Fürsten nur die rechtlichen Fragen beurteilen und ein theologisches Urteil über Müntzers Lehre den Experten ihrer Universität Wittenberg überlassen. Allerdings kam es Anfang Juni zu einem kleinen Aufstand der Allstedter gegen den kurfürstlichen Schosser, der verdächtige Brandstifter verhaften sollte. Für die Fürsten ergaben sich neue Probleme: Luther bezeichnete Müntzer als Abweichler von seiner eigenen Lehre, der Schosser sah den Frieden bedroht und altgläubige Fürsten machten die tolerante Kirchenpolitik des Kurfürsten und des Herzogs für die Gewalt mitverantwortlich. Was sollten sie also tun: Einen aufrührerischen Prediger des Landes verweisen? Sich doch in theologische Fragen einmischen? Ihn verhören? Öffentlich vor Luther und anderen? Würde das Müntzer nicht eine Bühne bieten? Andererseits könnte eine heimliche Befragung seine Anhänger auf den Plan rufen.

 

Die Predigt am 13. Juli 1524

Bei einem üblichen Besuch in Allstedt eine Predigt von Müntzer, dem dortigen Pfarrer, zu hören, war vielleicht eine diplomatisch unverfängliche Lösung. Herzog Johann dürfte auch neugierig gewesen sein, denn er hörte in dieser Zeit auch andere Theologen an, wie z. B. Jakob Strauß in Eisenach, deren Positionen mitunter für Konflikte mit Martin Luther sorgten. Vielleicht hatte auch der Luther nahestehende Kurprinz Johann Friedrich seinen Vater überzeugt, endlich auf die Kritik an Müntzer einzugehen, die sowohl von Luther und dem Allstedter Schosser als auch von altgläubigen Fürsten kam.

Die „Fürstenpredigt“ war jedoch kein reformatorisches Großereignis. Müntzer durfte nicht einmal in der Schlosskapelle predigen. Die Fürsten machten lediglich über Nacht auf einer Reise Halt in Allstedt und hörten die Predigt beinahe beiläufig beim Morgenmahl in der Hofstube mit ihrem kleinen Gefolge. 

Müntzer nutzte seine Predigt über den biblischen Propheten Daniel zu einer Mahnung an die Fürsten. Er sprach von der nahenden Apokalypse und der bevorstehenden Scheidung der Menschheit in Gläubige und Ungläubige. Die „Auserwählten“ sollten zum wahren Glauben finden und einen Bund mit Gott knüpfen. Die Fürsten sollten die Christen verteidigen und dazu das ihnen von Gott gegebene Schwert der weltlichen Gewalt einsetzen. Ansonsten würden sich die „Auserwählten“ gegen sie wenden.

 

Nachwirkungen

Aus heutiger Sicht klingt das revolutionär. Doch es lässt sich nicht belegen, ob Herzog Johann das genauso sah. Er thematisierte den Inhalt nirgends. Die „Fürstenpredigt“ wäre wahrscheinlich selbst dann noch verhallt, als Müntzer sie in kleiner Auflage drucken ließ, hätte der Kurprinz sie nicht an Luther weitergeleitet. Dieser reagierte mit dem Druck des „Briefes an die Ein Brief an die Fürsten zu Sachsen von dem aufrührerischen Geist“. Erst dadurch wurde die Beurteilung Müntzers als Ketzer, Schwärmer und Aufrührer einer breiteren Öffentlichkeit bekannt und die Predigt und ihr Verfasser wurden nachträglich größer gemacht, als sie eigentlich waren. Für Herzog Johann war die „Fürstenpredigt“ eher ein lokales Problem und der Beweis dafür, dass der Pfarrer von Allstedt aufrührerisch war. Allerdings gab es in Kursachsen noch andere Prediger, mit denen er ähnlich umging. Am 31. Juli bestellte er den Stadtrat und Müntzer zum Verhör nach Weimar ein, erteilte ein vorläufiges Druckverbot und wollte das weitere Vorgehen mit Kurfürst Friedrich besprechen. Zumindest wurde jetzt ein größeres Verhör mit Luther, Andreas Karlstadt und anderen erwogen. Doch die Zeit arbeitete für Müntzer: Bevor die Fürsten sich einigen konnten floh er zwischen 7. und 8. August aus Allstedt Richtung Mühlhausen. Herzog Johann reagierte beinahe erleichtert: War der Verfasser der „Fürstenpredigt“ nicht mehr in seinem Land, war er nicht mehr sein Problem.