Luther und König Heinrich VIII. von England

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grün eingefärbtes Bild, weiße Sprechblase mit "Heute vor 500 Jahren"

Heute vor 500 Jahren ...
zog die publizistische Auseinandersetzung zwischen König Heinrich VIII. von England und Luther immer weitere Kreise.

Was bisher geschah
1521 hatte König Heinrich VIII. von England seine Assertio septem sacramentorum contra Martinum Lutherum (Verteidigung der sieben Sakramente gegen Martin Luther) veröffentlicht und sich damit den päpstlichen Ehrentitel „Fidei Defensor“ (Verteidiger des Glaubens) verdient. Luther reagierte darauf im August 1522 mit einer höchst ungehobelten Antwort deutsch, in der er den „Junker Heinz“ als Lügner und Schwätzer attackierte. Dieser erste Teil des Schlagabtauschs zwischen Heinrich VIII. und Luther war bereits Thema eines vergangenen Beitrags von „Heute vor 500 Jahren …“.

 

Der Konflikt weitet sich aus
Ende September 1522 publizierte Luther eine weitere Streitschrift gegen Heinrichs Assertio, dieses Mal eine theologisch anspruchsvollere Antwort in lateinischer Sprache und in deutlich gemäßigtem Ton. Seine wiederholten Attacken auf den englischen König blieben nicht unkommentiert, sondern provozierten eine ganze Reihe von Gegenantworten, manche in Luthers Sinne, etliche aber auch zur Verteidigung seines Gegenspielers. Zu Heinrichs Unterstützern zählten beispielsweise Luthers Gegner in der Leipziger Disputation, Johannes Eck, der sich für den „unbesiegbaren Königs von Engelland gegen die Verleumdungen des gottlosen Luther“ in die Bresche warf, und der Elsässer Humanist Thomas Murner. Im November 1522 veröffentlichte dieser einen fiktiven Dialog zwischen Heinrich und Luther mit dem Titel "Ob der König aus England ein Lügner sei, oder der Luther" – eine Frage, die Murner zuungunsten Luthers beantwortete.

Besonders engagierte Unterstützer fand Heinrich unter den Theologen seines Königreichs: John Fisher, Bischof von Rochester, Edward Powell, ein hoch angesehener Waliser Theologe, der oft am Hof predigte, und der Gelehrte Thomas More ergriffen Partei für ihren Herrscher, der Heinrich nahestehende More vermutlich stellvertretend für seinen König.  Sein umfangreiches Werk, verfasst im Winter 1522/23, stellte neue Maßstäbe im zeittypischen Grobianismus auf und sogar Luthers derbe Ausdrucksweise in den Schatten.

Heinrich VIII. selbst hingegen würdigte Luthers Streitschriften keiner Antwort. Allerdings wandte er sich im Januar 1523 warnend an die sächsischen Fürsten, wies sie auf die Gefahren hin, die von dem Wittenberger und seiner Bibelübersetzung ausgingen, und mahnte sie, diese Häresie zu unterbinden.

 

Heinrich VIII. ein heimlicher Lutheraner?
Anfang 1525 machte am sächsischen Hof ein erstaunliches Gerücht die Runde: Der dänische König Christian II., zu dieser Zeit thronlos in Wittenberg, ließ durchklingen, Heinrich VIII. hege neuerdings Sympathien für Luthers Lehren.

In der Hoffnung, jenseits des Kanals einen mächtigen Verbündeten zu gewinnen, sprang Luther über seinen Schatten und schickte dem von ihm so hart angegangenen „Junker Heinz“ im September 1525 einen sehr demütigen Entschuldigungsbrief. Er – Luther – habe erst jetzt erfahren, dass die Assertio gar nicht von des Königs Hand stamme, sondern das Werk hinterlistiger Männer sei, die Heinrichs Namen missbrauchten, an erster Stelle die „Monstrosität“ Kardinal Wolsey. Mit dieser „Entschuldigung“ brachte er den Monarchen allerdings erst recht in Rage, kritisierte er doch erneut Heinrichs Werk und beleidigte zugleich auch noch dessen engsten Berater und Lordkanzler. In seiner Erwiderung vom August 1526 schlug Heinrich daher einen sehr scharfen Ton an und warf Luther, dem „Mönchlein“, vor, mit seiner Ketzerei Aufruhr verursacht zu haben und Unzucht mit einer Nonne zu treiben (eine Anspielung auf den Bauernkrieg sowie Luthers Hochzeit mit der ehemaligen Nonne Katharina von Bora 1525). Luthers Replik "Auf des Königs zu England Lästerschrift" im nächsten Jahr ignorierte Heinrich VIII., jedenfalls griff er nicht mehr zur Feder. Aber am Martinstag 1527 traten bei einem Fest am englischen Hof Narren auf, die als Luther und Katharina von Bora kostümiert waren. 

 

Was danach geschah
Wenige Jahre später begann auch in England die Reformation, eine königliche Reformation. Beherrscht davon, seine noch junge Tudor-Dynastie durch männliche Nachkommen abzusichern, wünschte Heinrich, seine Ehe zu beenden, als sich kein Thronfolger einstellte. Da der Papst sich weigerte, die Verbindung zu annullieren, brach der König mit Rom, doch als Lutheraner oder Protestant sah er sich nie. Lutheraner wurden in seinem Reich hingerichtet, ebenso Altgläubige, die nicht bereit waren, den König als Oberhaupt der englischen Kirche anzuerkennen – ein Schicksal, das mehrere der in diesem Beitrag erwähnten Verteidiger Heinrichs ereilen sollte.

 

Nachhall
Und was blieb vom Flugschriftenstreit zwischen dem König und dem Wittenberger Reformator? Im Vereinigten Königreich kommen Ende 2022 die ersten Münzen mit dem Konterfei des neuen Königs Charles III. in Umlauf. In der Umschrift werden nach dem Königsnamen die Buchstaben „F“ und „D“ zu lesen sein und den Meisten Rätsel aufgeben. Die Buchstaben stehen für „Fidei Defensor“ (Verteidiger des Glaubens), jenen päpstlichen Ehrentitel, der Heinrich VIII. für seinen Kampf gegen Martin Luther verliehen wurde und den die englischen Monarchen bis heute tragen.[1]

 

 

 

 

[1] Nach Heinrichs Ernennung zum Oberhaupt der englischen Kirche 1534 wurde ihm der Titel „Fidei Defensor“ von päpstlicher Seite aberkannt. 1543 wurde er ihm und seinen Nachfolgern erneut verliehen, dieses Mal vom englischen Parlament für die Verteidigung des neuen „anglikanischen“ Glaubens.