Luther und der Spuk
Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt
Gemälde von Martin Luther mit Papiergeistern drumherum.
Seit einigen Jahren bemühen sich die Kirchen, den 31. Oktober als eigentlichen Reformationstag zu betonen und sich gegen das als modernen Trend empfundene Halloween zu verwahren. Dabei sind Martin Luther und die Welt der Geister gar nicht so weit auseinander, wie es scheint: Mehr noch, Luther ist eine tiefgreifende Veränderung des Geisterglaubens zu verdanken.
Zum Zeitpunkt von Luthers Thesenanschlag gehörte Spuk allerdings zum akzeptierten Weltbild des Reformators: Geistererscheinungen deutete er genau wie seine Zeitgenossen noch als die Seelen Verstorbener, die aus dem Fegefeuer heraus die Lebenden zur Fürbitte für ihr Seelenheil und zur Vermeidung ihrer eigenen Fehler ermahnten. Doch nach und nach erklärte Luther mit Berufung auf die Bibel solche Erscheinungen für Täuschungen des Teufels: Das Jenseits sei schließlich nicht durchdringlich, Tote könnten nicht mit den Lebenden in Kontakt treten. Mit seiner Abschaffung des Fegefeuers verschwanden die Geister der Verstorbenen offiziell als Erklärung für geisterhafte Phänomene. Übrig blieb der „Poltergeist“, der dämonische Unruhestifter. Der Begriff stammt wahrscheinlich von Luther selbst, der selbst mehrfach von übernatürlichen Erlebnissen berichtete, hinter denen er das Wirken von Dämonen und Teufeln vermutete.
Diese neue, protestantische Deutung veränderte den Umgang mit dem Übernatürlichen grundlegend: Statt Priestern, Weihwasser und Ritualen galt nun allein das Wort Gottes und das Gebet als Schutz - auf diese Weise konnte sogar Luther selbst Exorzismen an angeblich dämonisch Besessenen durchführen. Doch die Faszination für Geister blieb auch bei den Nachfolgern Luthers bestehen, einige protestantische Pfarrer gingen sogar auf regelrechte Geisterjagden. Vom 17. Jahrhundert an wandelten sich die lutherischen Teufelsbeweise aber zu immer rationaleren Untersuchungen, bis Aufklärer wie Christian Thomasius und Immanuel Kant Gespenster zu bloßen „Hirngespinsten“ erklärten: Geister existierten nur in den Köpfen der Menschen.
Trotz Entzauberung erlebte der Spuk immer neue Wiederkehr – im (protestantisch geprägten!) Spiritismus des 19. Jahrhunderts, in okkulten Experimenten des 20. Jahrhunderts und schließlich in heutigen „Ghosthunter“-Gruppen. Ihre Vorstellungen und Vorgehensweisen erinnern dabei frappierend an die protestantischen Geisterjäger von einst. Der Glaube mag sich gewandelt haben – die Sehnsucht, dem Unsichtbaren auf die Spur zu kommen, ist geblieben.“