Das Mädchenbildnis im Lutherhaus – Magdalena Luther?

Bild
Mädchen mit langen rötlichen Haaren, blass, Gemälde, dunkler Hintergrund

Mädchenbildnis, nach Lucas Cranach d. Ä., nach 1523

Vor 500 Jahren ...

... also im Jahr 1525, schuf Lucas Cranach der Ältere das Bildnis eines Mädchens. So heißt es zumindest laut Datenbankeintrag der LutherMuseen. In der älteren Literatur wird dieses Mädchen oft als Martin Luthers Tochter Magdalena Luther betitelt. Dass diese erst 1529 geboren wurde, macht stutzig und schickt die Bearbeiterin auf eine Spurensuche. 

Halbfigur eines etwa zehnjährigen Mädchens nach links, in schwarzem Gewand mit weißem Untergewand, Arme ineinander verschränkt, zarte Hände, im lang herabfallenden gewellten blonden Haar ein schwarzes Haarband, rundes Gesicht, mandelförmige dunkle Augen, Blick auf den Betrachter gerichtet, ausdrucksvolle rote Lippen. Wohl fälschlicherweise Luthers Tochter Magdalena zugeschrieben.

So die in der internen Datenbank gespeicherte Beschreibung des Gemäldes, das in der Höhe 37 cm und in der Breite 27 cm misst. Eine zarte Größe, ebenso zart, wie das dargestellte Mädchen. Auf seiner Rückseite steht von unbekannter Hand notiert: Magdalena Dr. M. Lutheri fili / nata 1529 denat 1542 / Lucas Cranach pinxit ano. 

Selbstbewusst wird hier also verkündet, dass es sich um Luthers Tochter Magdalena handelt, die 1529 geboren wurde und 1542 starb. Lucas Cranach hat das Bild gemalt im Jahr – ja, in welchem Jahr?

Wie kann man sich nun der Frage annähern, wann das Bild entstand und ob es sich wirklich um Magdalena handelt? Hilfreich ist die Untersuchung eines ähnlichen Bildes im Pariser Louvre. Dort findet sich unter der Inventarnummer RF 1767 das „Portrait de Magdalena Luther, fille du réformateur Martin Luther“. Auf den ersten Blick unterscheidet es sich vom Wittenberger Bild kaum – die Gesichtszüge vielleicht weniger weich, der Blick weniger lieblich. Die Forschungsliteratur ist sich einig: dies ist ein echter Cranach! Stilistisch lässt sich das Bild zwischen 1520 und 1530 einordnen. Das bestätigt auch die Dendrochronologie.

 

Dendro-was?

Die Kunstwissenschaft bedient sich zur Analyse von Kunstwerken, in diesem Fall Tafelbildern, gerne technischer Möglichkeiten anderer Disziplinen. Das Alter von Bildern, die auf Holztafeln gemalt wurden, lässt sich oftmals durch die Analyse des Holzes genauer definieren. Jeder Baum hat im Innern die Jahresringe. Je nach Wetter- und Nährstofflage zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Gebiet entwickeln sie sich unterschiedlich. Vergleicht man die Ringe von verschiedenen Bäumen, lässt sich also ablesen, ob sie zur selben Zeit am selben Ort standen. Mittlerweile gibt es große, auf einzelne Baumarten bezogene Jahresringkalender. Der umfangreichste ist zum Beispiel der Hohenheimer Jahrringkalender, in dem eine lückenlose Chronologie von Bäumen aus Mitteleuropa von 10.461 v. Chr. bis heute erfasst ist. Für die Analyse des Gemäldes im Louvre wurde die Süddeutsche Eichenchronologie verwendet. 

Bei der Buchenholztafel des jungen Mädchens aus Paris wurden 146 Jahresringe gemessen, die in der Chronologie im Jahr 1519 enden. Ebenso konnte man feststellen, dass die Tafel vom selben Baum stammt, wie die der Cranachgemälde „Junger Patrizier“ (1528) und „Porträt Hans Melber (1526). Der jüngste Jahrring des Patriziers stammt aus dem Jahr 1521 und legt damit das frühestmögliche Fälldatum des Baumes fest. 

Bedenkt man, dass Buchenholz vor der Weiterverarbeitung eine Lagerzeit von mindestens zwei aber selten mehr als sieben Jahren hat, kann das Gemälde des jungen Mädchen frühestens 1523 entstanden sein oder spätestens 1528. Beide Jahre liegen noch vor der Geburt Magdalena Luthers. Dass dieses ca. 10-jährige Mädchen auf dem Bild Magdalena ist, kann also ausgeschlossen werden.

 

Und die Wittenberger „Magdalena“?

Auch das Bild der LutherMuseen wurde dendrochronologisch untersucht. Hier waren die Jahresringe leider nicht eindeutig erkennbar. Dass das Bild aber erst nach dem Pariser Bild entstanden, also eine Kopie ist, kann anderweitig belegt werden. Für Cranach typisch und in Paris vorhanden ist eine Unterzeichnung auf der Tafelgrundierung. Diese ist beim Wittenberger Mädchen nicht vorhanden, was für das Kopieren durch Aufpausen spricht. Auch verraten die Pinselstriche keine Spontanität, sondern das genaue Nachmalen von Linien. Insgesamt lässt sich die Malweise mit den Techniken der Cranach Werkstatt vergleichen. Wann genau das Bild entstanden ist, kann aber leider nicht gesagt werden. Dass es sich um Luthers Tochter Magdalena handelt, die von Lucas Cranach dem Älteren gemalt wurde, ist jedoch in jedem Fall ausgeschlossen.

 

Das Bild des Mädchens im Louvre: https://collections.louvre.fr/en/ark:/53355/cl010065613