Zensur in der Reformationszeit oder: Als Luthers Meinung nicht zum (Aus)Druck kam

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grün eingefärbtes Bild, weiße Sprechblase mit "Heute vor 500 Jahren"

Heute vor 500 Jahren ...

... übertrug Kaiser Karl V. mit dem Reichstagsabschied von Nürnberg die Zensurhoheit und Aufsicht über die Druckereien den Landesgewalten. Dies war ein Schritt von vielen, die mit Zensur und Verboten der Reformation Einhalt zu gebieten versuchten.

„Zensur wird definiert als ein Verfahren, in dem Druckschriften, audio-visuelle und elektronische Medien, Werke der bildenden Kunst sowie öffentliche Aufführungen anhand gültiger oder als gültig erachteter Normen überprüft werden, um eventuell Änderungen zu erwirken oder ein Verbot auszusprechen. [ … ] Zensur hat traditionell drei klassische Gegenstandsbereiche: Religion, Politik und Moral. Jeder der Bereiche kann im historischen Wandel stärker oder schwächer ausgeprägt sein.“ [1]

Mit der Erfindung eines neuen Mediums sieht sich eine Gesellschaft immer wieder auch mit dem Erlernen des Umgangs mit eben jenem konfrontiert. So begegnen uns heute digitale Strategien, Umgangstipps mit Social Media und die immer wieder kehrende Frage, wie und ob sich unliebsame Inhalte wenn nicht zensieren, doch zumindest in ihrer Verbreitung eindämmen lassen.

Ähnliche Überlegungen kamen auch auf, als sich im 15. Jahrhundert der Buchdruck mit beweglichen Lettern, eine Erfindung Johannes Gutenbergs, etablierte. Das neue Medium eröffnete vollkommen neue Möglichkeiten der Kommunikation. Informationen konnten nun in kurzer Zeit vervielfacht und weit verbreitet werden. Die ersten Versuche dieses neue Medium in den Griff zu bekommen, kamen aus dem kirchlichen Bereich. Das Ziel der Kirche war es, Glauben und Sitten nach religiösem Maßstab rein zu halten.  

So erließ bereits 1486 der Fürstbischof von Mainz, Berthold von Henneberg, eine Verordnung zur Einrichtung einer Zensurkommission für das gesamte Bistum. Im Jahr darauf folgte eine päpstliche Bulle mit einer Prüfvorschrift für Druckschriften. Widersetzte man sich den Vorschriften, drohten Exkommunikation und Geldstrafen. 1515 veröffentlichte Papst Leo X. die Bulle „Inter sollicitudines“, die die Vorzensur für Druckwerke durch Bischöfe und Inquisitoren beschloss. Bereits gedruckte Werke ohne kirchliche Approbation sollten beschlagnahmt und öffentlich verbrannt werden. 

 

Und dann kam Martin Luther…

Mit Martin Luthers reformatorischen Ideen erlebte die Kirche eine tiefe Erschütterung und der Buchdruck einen ungeahnten Aufschwung. Das revolutionäre Gedankengut Luthers machte Druckschriften umso gefragter. Der „Sermon von Ablass und Gnade“ wurde zwischen 1518 und 1521 wenigstens 26 Mal aufgelegt. Weitere Schriften wurden den Händlern förmlich aus den Händen gerissen. Die Erstauflage von „An den christlichen Adel deutsche Nation“ wurde direkt mit einer ungewöhnlich hohen Zahl von 4000 Exemplaren gedruckt und war innerhalb von zwei Wochen vergriffen. Allein im Jahr 1524 fluteten 2400 reformatorische Flugschriften mit einer ungefähren Gesamtzahl von 2,4 Millionen Exemplaren den Markt. Ein Albtraum für die Kirche. Der neuen Bewegung musste Einhalt geboten werden.

Auf dem Wormser Reichstag 1521 sprach  der altgläubige Kaiser Karl V. ein Machtwort. Der Reichstagsabschied richtete sich nicht nur gegen den Urheber der Reformation, sondern sollte auch deren Verbreitung eindämmen. Martin Luthers Schriften wurden verboten. Verkauf, Besitz oder Druck führten zu Geldbußen und Haftstrafen. In seltenen Fällen wurde sogar die Todesstrafe auferlegt.

 

Staatliche Zensur und wie man sie umgehen kann

Vor genau 500 Jahren, am 8. April 1524, übertrug Kaiser Karl V. im Reichstagsabschied von Nürnberg die Zensurhoheit und Aufsicht über die Druckereien den Landesgewalten. Der Reichstag zu Speyer 1529 verordnete die Vor- und Präventivzensur. Ein amtlich eingesetzter Zensor musste nun vor der Drucklegung prüfen, welches Gedankengut an die Öffentlichkeit gebracht werden durfte. So konnte besonders wirksam bereits die Produktion von Schriften mit reformatorischen Inhalten unterbunden werden. Eine Nachzensur hatte dagegen den deutlichen Nachteil, dass eventuell bereits vervielfältigte Werke schon in den Umlauf gekommen und kaum mehr einzusammeln waren.

Eine Impressumspflicht ab 1530 sollte zumindest zu den Urhebern von den ungewollten Schriften zurückführen. Name von Drucker und Druckort mussten auf der Schrift erscheinen. Wie gut, dass es Pseudonyme gab.

Und auch mit der Zuständigkeit der einzelnen Fürsten und Reichsstände für die Zensur hatte sich der Kaiser keinen Gefallen getan. Im zersplitterten Deutschen Reich gab es zahlreiche zuständige Territorialherren und damit auch zahlreiche Einstellungen zur Reformation. Auf Inhalte, die in einem Land streng kontrolliert und verboten wurden, blickte man in einem anderen Land mit zugedrücktem Auge. 

 

Index der verbotenen Bücher

Einen weiteren Höhepunkt fand die Zensur reformatorischer Schriften beim Konzil von Trient. Dieses beschloss ein Verzeichnis verbotener Schriften. Der „Index librorum prohibitorum“ wurde 1559 das erste Mal veröffentlicht und fortwährend aktualisiert; und das sogar noch bis ins 20. Jahrhundert. 1948 erschien die letzte amtliche Ausgabe. Bis 1962 erhielt sie Nachträge und umfasste mehr als 6.000 Titel. Unter den verbotenen Werken, die sich mit der Glaubens- und Sittenlehre der katholischen Kirche nicht vereinbaren ließen, fanden sich bei Weitem nicht mehr nur reformatorische Schriften. Liebesgeschichten von Honoré de Balzac, Werke von Heinrich Heine, nahezu alle Werke von Voltaire, aber auch Bücher nationalsozialistischer Autoren wurden indiziert. Adolf Hitlers „Mein Kampf“ fand sich jedoch nicht auf dem Index wider. Erst 1966 wurde die Liste der verbotenen Bücher unter Papst Paul VI. außer Kraft gesetzt.


 

[1] Michael Stephan, Zensur (Altbayern und Bayern), publiziert am 31.01.2012; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Zensur_(Altbayern_und_Bayern)> (4.04.2024)