Flucht aus dem Kloster
Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt
Heute vor 500 Jahren, ...
... am 5. April 1523 – floh die Nonne Katharina von Bora mit acht Ordensschwestern aus dem Kloster Nimbschen – ein radikaler Schritt aus reformatorischer Überzeugung.
Weckruf der Reformation
Was genau die Frauen zu diesem unumkehrbaren Schritt bewegt hat, lässt sich nur ahnen. Offenbar waren reformatorische Schriften ins Kloster gelangt. 1522 hatte Luther seine radikale Kritik am Zölibat öffentlich gemacht. Darüber hinaus kritisierte er, dass in den Klöstern nicht das wahre Wort Gottes verkündet würde und stellte das Kloster als Institution in Frage. Seine Botschaften kamen an: Zwölf der rund 40 Nonnen aus dem Kloster Nimbschen bei Grimma beschlossen, ihren Konvent zu verlassen. Drei von ihnen wurden unter Protest der Klosterleitung von ihren Familien abgeholt. Den übrigen neun Nonnen blieb nur die illegale Flucht.
Freiheit hinter Klostermauern
Katharina hatte fast ihr ganzes Leben in der fest gefügten Welt einer Ordensgemeinschaft gelebt: Bereits mit fünf Jahren war sie von ihrem Vater zu den Augustinerinnen in Brehna gegeben worden. Mit zehn Jahren kam sie in das von ihrer Tante geleitete Zisterzienserinnen-Kloster Nimbschen. Klöster boten vielen Familien des niederen Adels eine bewährte Möglichkeit, ihre Töchter gut unterzubringen. Diese Praxis kritisierte Luther später, da sie kaum auf einer bewussten Lebensentscheidung der Mädchen beruhte.
Trotz aller Regeln und Beschränkungen – hinter Klostermauern standen Frauen Karrieren offen, die anderswo kaum denkbar waren: Klöster waren oft große Wirtschaftsbetriebe, die von den Nonnen unabhängig von einem männlichen Vormund verwaltet wurden. Auch das Kloster Nimbschen besaß weitläufige Ländereien. Neben Lesen, Schreiben und Latein lernte Katharina hier vermutlich auch das Management des Klosterbetriebs.
Aufbruch ins Ungewisse
Mit ihrer Flucht gaben die jungen Frauen alles auf, was sie hatten: Sicherheit, ein lebenslanges Auskommen und eine geistliche Heimat. Stattdessen lieferten sie sich einer ungewissen Zukunft aus. Als Nonnen hatten sie keinerlei Bargeld oder Ersparnisse. Die Welt jenseits der Klostermauern war ihnen fremd, eine Reise als unbegleitete Frau undenkbar.
Was genau am Ostersonntag 1523 geschah, ist nicht überliefert. Fest steht nur, dass die neun Frauen Hilfe von außen hatten: Der ehemalige Torgauer Ratsherr Leonhard Koppe der Ältere und sein Cousin Wolf von Dommitzsch standen als Fluchthelfer bereit. Am 7. April 1523 kamen die Frauen in Wittenberg an. Dort wandten sie sich an Martin Luther, den geistigen Anstifter ihrer Fluchtaktion. Später veröffentlichte dieser als Rechtfertigung für die geflohenen Nonnen seine Schrift „Ursache und Antwort, dass Jungfrauen Klöster göttlich verlassen mögen“ (WA 11, 349–400).
Rollenwechsel
Luther half nach Kräften, die mittellosen Frauen zu unterstützen. Da er selbst kein eigenes Geld hatte, veranlasste er eine Sammlung am kurfürstlichen Hof, um die erste Versorgung der geflohenen Nonnen sicherzustellen. Nach und nach kamen die Frauen bei Angehörigen, Freunden oder hilfsbereiten Bürgern unter. Katharina wurde wahrscheinlich im Haus des Hofmalers Lucas Cranach aufgenommen und von dessen Frau Barbara Cranach auf ihre Rolle als Bürgersfrau vorbereitet. Denn dass Katharina schnellstmöglich verheiratet werden musste, stand fest. Für eine Frau gab es damals kaum eine andere Möglichkeit, ein respektables Leben außerhalb des Klosters zu führen.
Ein neues Leben
Ein erster Versuch, Katharina mit dem Patriziersohn Hieronymus Baumgartner zu verheiraten, scheiterte. Zu groß waren offenbar die Vorbehalte der Familie gegenüber einer ehemaligen Ordensschwester – die zudem vollkommen mittellos war. Aus diesem Grund heirateten die anderen geflohenen Nonnen zum größten Teil Pfarrer oder ehemalige Mönche – ein Weg, den auch Katharina wählte: Es war niemand geringeres als Luther selber, dem sie zwei Jahre nach Ihrer Klosterflucht das Jawort gab. Am 13. Juni 1525 heirateten der ehemalige Mönch und die geflohene Nonne im Wittenberger Augustinerkloster. Mit der Heirat bekräftigte der Reformator seine Botschaft, die die Nonnen einst zur Flucht bewegt hatte. Für Katharina war es der Beginn eines neuen Lebens, das sie von nun an weitgehend nach ihren Vorstellungen gestalten konnte.