Bugenhagens Hochzeit

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blau eingefärbtes Bild, weiße Sprechblase mit "Heute vor 500 Jahren"

Heute vor 500 Jahren, am 13. Oktober 1522 heiratete Johannes Bugenhagen.

Eine der frühen zentralen Neuerungen der Reformation war die Zulassung der Priesterehe. Eigentlich eine Wiederzulassung, denn der Zolibät für Priester war erst verhältnismäßig jung: Erst im Jahre 1139 wurde im Zuge von Reformbewegungen die Idee der Ehelosigkeit der Geistlichkeit vom Keuschheitsideal der Mönche auch auf den übrigen Klerus offiziell übertragen; zuvor waren oftmals auch Pfarrer, Diakone und sogar Bischöfe verheiratet. Dass diese nun geforderte Keuschheit in der Praxis jedoch oft genug übertreten wurde, war in der breiten Bevölkerung hinlänglich bekannt. Selbst die Amtskirche tolerierte dies insoweit, dass sie sich den in solchen Beziehungen entstandenen Kinder Dispens gewährte, gegen entsprechende Gebühren allerdings.

Verhältnismäßig groß war die Kritik an den Missständen und es mehrten sich die Stimmen, die die Abschaffung des Verbotes forderten. Allen voran der Basler Humanist Erasmus von Rotterdam. Bezeichnenderweise gehörte der Luther, damals noch Augustinermönch, zunächst nicht zu Kritikern der Ehelosigkeit der Priester und äußerte auch noch lange Sympathie für den Zölibat als freiwillige Lebensform. Doch nach Luthers um 1520 entstandenen neuen Verständnis des evangelischen Pfarrstandes, welcher von Gott zur Predigt und Ausübung der Sakramente in der Gemeinde eingesetzt war, sollte der Pfarrer nun auch in der Gemeinde wohnen und einen weltlichen Haushalt führen–  und konnte somit auch verehelicht sein und eine Familie gründen. Erste Pfarrer heirateten schon im Sommer 1521 öffentlich und gingen damit sogar über das hinaus, was Luther vorgeschlagen hatte, der die Ehe als eine private Angelegenheit sah. Nun, da Luther und seine Anhänger offiziell als Ketzer verurteilt waren, schien die Heirat von Pfarrern jedoch auch zum Fanal gegenüber Rom zu werden. Als Luther von der Wartburg zurückkehrte, waren bereits Dutzende Kleriker den Bund der Ehe eingegangen. Weitere prominente Reformatoren folgten: Am 19. Januar 1522 heiratete Karlstadt die 15-jährige Anna von Mochau. Seinem Beispiel folgte der Wittenberger Theologieprofessor Justus Jonas, indem er am 9. Februar die Wittenbergerin Katharina Falk ehelichte.

Johannes Bugenhagen, Theologiedozent und seit 1523 Stadtpfarrer in Wittenberg, trat schließlich am 13. Oktober 1522 in den Ehestand. Seine Hochzeitsbestrebungen waren mit gewissen Schwierigkeiten verbunden, da die erste Kandidatin zunächst die schon getroffene Verlobung ihrerseits auflöste – zu groß war offenbar die Furcht der Wittenberger Bürgerstochter von der Schmach, als ein „Priesterliebchen“ zu gelten, wie die geheimen Konkubinen der vorreformatorischen Pfarrer im Volksmund despektierlich genannt wurden. Am 4. Oktober 1522 berichtete Luther an Spalatin, Bugenhagen werde am 13. Oktober nun stattdessen eine gewisse Walburga (vermutlich aus der Torgauer Familie Triller) heiraten und bat ihn sehr herzlich dafür zu sorgen, dass Kurfürst Friedrich zu dieser Hochzeit etwas Wildbret stiftet, "denn einmal ist er es wert, und zum andern auch unseretwegen, die wir seine Gäste sein werden. Und ob wir würdig sind, das magst du alleine beurteilen." Nicht nur wurde die Bitte erfüllt; der Kurfürst ließ zudem ein Goldstück als Geschenk an den nahezu mittellosen Bräutigam übersenden. Offiziell stammte es von Spalatin. Luther musste dem Kurfürsten, der sich als Diplomatiegründen bedeckt halten wollte, das Versprechen geben, sogar Bugenhagen gegenüber Geheimhaltung über die Identität des wahren Gönners zu bewahren.

Über das Verhältnis der beiden Eheleute ist kaum etwas bekannt, eine Liebesheirat war es sicherlich nicht – diese war ohnehin noch weitgehend unüblich. Eine Ehe diente der wirtschaftlichen Versorgung des Haushaltes und der finanziellen und rechtlichen Absicherung der Ehefrau sowie der Gründung einer nach Möglichkeit kinderreichen Familie. Auch aus dem Lutherzitat: „Herr Pomeranus, als er seine Frau in die Ehe führte, sagte zur ihr: hier hast du alle Schlüssel; aber ich behalte mir das Schwert vor." sollte man keine gleichberechtigte Beziehung von Ehemann und Ehefrau schließen. Diese Aufteilung war in der frühen Neuzeit normal; Luther selbst machte auch über seinen eigenen Ehestand klar, dass die Frau zwar die wirtschaftliche Leitung des Hauses übernehme, die rechtliche Gewalt über alle Hausgenossen, also auch über die Ehefrau, habe aber der Ehemann als Hausherr. Ungewöhnlich war jedoch der Umstand, dass Johannes Bugenhagen bei seinen zahlreichen Reisen in seiner Eigenschaft als „Reformator des Nordens“ sein Frau Walburga meistens mit sich führte und somit das Phänomen des Pfarrerehepaars auch nach außen deutlich sichtbar weithin bekannt machte.

Eng verbunden mit der protestantischen Praxis der Pfarrerehen ist die Herausbildung des Pfarrhauses, das nicht nur Wohn- und wirtschaftsmittelpunkt der örtlichen Pfarrer darstellte, sondern auch zu einer bedeutenden kulturgeschichtlichen Institution wurde. Auch wenn Luthers Hausstand immer dafür gehalten wird: Das Bugenhagenhaus am Wittenberger Kirchplatz kann noch eher den Anspruch auf den Titel des ersten protestantischen Pfarrhauses erheben, auch wenn die Strahlkraft des Lutherhauses in der späteren Wahrnehmung überwog.