Argula von Grumbach schreibt einen Brief

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grün eingefärbtes Bild, weiße Sprechblase mit "Heute vor 500 Jahren"

Heute vor 500 Jahren ...

… war die junge Adlige Argula von Grumbach aufgebracht! Der Brief, den sie deshalb am 20. September 1523 verschickte und der mit dem Titel „Wye ein Christliche fraw des adels“ abgedruckt wurde, machte sie zur erfolgreichsten Flugschriftenautorin ihrer Zeit.

 

Wer war Argula?

Geboren als Argula Reichsfreiin von Stauff (vermutlich im Jahr 1492) wuchs sie mit dem Privileg auf, lesen, schreiben und rechnen zu lernen. Die gute Ausbildung sollte sie auf eine Ehe in Adelskreisen vorbereiten. 1510 heiratete sie Friedrich von Grumbach, einen Reichsritter und Verwalter der herzoglichen Ländereien in Dietfurt, Bayern.

Vermutlich kam Argula schon früh mit den reformatorischen Lehren in Berührung, eventuell durch familiäre Beziehungen zum ernestinischen Hof. Im schriftlichen Kontakt stand sie unter anderen zu Martin Luther selbst, Georg Spalatin, Andreas Osiander und Paulus Speratus. Auch gab es persönliche Treffen, Luther widmete ihr sein 1522 gedrucktes Gebetbüchlein. Dass sie so gut wie alle Schriften des Reformators gelesen hatte, geht aus ihren späteren Druckschriften hervor. Argula von Grumbach war von der Reformation überzeugt. Und sie war bereit, für ihre Überzeugungen einzustehen. Auch wenn sie damit viel riskierte.

 

Was war geschehen?

Während die reformatorischen Gedanken Martin Luthers seit 1517 wie ein Lauffeuer ihre Verbreitung fanden, versuchten die bayerischen Herzöge mit strengen Mitteln dem reformatorischen Treiben Einhalt zu gebieten. 1522 verfügte Herzog Wilhelm IV. mit dem bayerischen Religionsmandat Zensur und Verbot von Büchern und Flugschriften der Lutheranhänger und untersagte die Verbreitung und Diskussion lutherischer Lehren. Wer sich diesem Mandat widersetzte, musste die Verbannung oder sogar die Verbrennung als Ketzer fürchten.

Arsacius Seehofer kehrte 1522 von seinem Studium aus Wittenberg in seine Heimat nach Ingolstadt zurück. Berauscht von den neuen Ideen und brennend für die Sache der Reformatoren, bezeichnete er Wittenberg als das neue Bethlehem, in dem Christus zum zweiten Mal geboren worden sei. An der Universität warb er für die neue Glaubensbewegung. Bald schon erfuhren die anderen Gelehrten davon. Seehofer wurde inhaftiert. Unter Androhung von Folter und der Verurteilung als Ketzer sollte er seinen reformatorischen Aussagen widersprechen. Schlussendlich wurde er ins Kloster Ettal verbannt.

 

Was macht Argula?

Argula von Grumbach hatte die Vorgänge in Ingolstadt verfolgt und hielt es nicht mehr aus. Sie verfasste einen Brief an die Gelehrten der Universität Ingolstadt, in dem sie deren Vorgehen scharf verurteilte. Die Professoren benähmen sich tyrannisch gegenüber Andersdenkenden und brächten menschliche und göttliche Vernunft durcheinander. Da niemand anderes sich für Seehofer einsetzte, sah sie es als ihre christliche Pflicht, die Stimme zu erheben.

Sie war bereit, zu diskutieren, ihr Verständnis der Bibel gegen die Gelehrsamkeit der Theologen in die Waagschale zu werfen. Als besonders frech an der Herausforderung einer Frau und Laiin mag die Bitte gewirkt haben, sich auf Deutsch mit ihr auszutauschen und nicht wie an der Universität üblich auf Latein.

Eine Reaktion der Gelehrten blieb aus. Bei den Anhängern der Reformation stieß der Brief jedoch auf große Resonanz. Als Flugschrift mit dem Titel „Wye ein Christliche fraw des adels“ veröffentlicht und mit einem aussagekräftigen Titelholzschnitt versehen, erfuhr er innerhalb von einem Jahr 15 Auflagen. Es folgten sieben weitere als Flugschriften gedruckte Protestbriefe Argulas an Herzöge, Gelehrte und Kleriker. Circa 30.000 Exemplare ihrer Schriften waren in kurzer Zeit im Umlauf. Der Erfolg in der breiten Bevölkerung lässt sich aber nicht nur mit den reformatorischen Inhalten erklären. Argula von Grumbach schrieb frei heraus, leicht verständlich. Ihre theologischen Argumentationen in der Volkssprache schufen eine Brücke zwischen anderen Laien und den Anliegen der Autorin.

Der von ihr überlieferte Satz – „Ich habe euch kein Frauengeschwätz geschrieben, sondern das Wort Gottes als ein Glied der christlichen Kirche“, bringt Argula von Grumbachs Position auf den Punkt: Er trägt die Kraft der reformatorischen Ideen in sich und steht für ein neues Selbstbewusstsein der Gläubigen, die Stimme zu erheben unter Berufung auf das Wort Gottes.

 

Und dann?

Nach einem Jahr verstummte Argula wieder. Vielleicht lag es an ihrer familiären Situation. Mit ihren Flugschriften hatte sie sich in ihrer unter dem bayerischen Religionsmandat stehenden Heimat in Gefahr gebracht. Ihr Ehemann war wegen der reformatorischen Umtriebigkeiten seiner Frau aus den Diensten der bayerischen Herzöge entlassen worden, die Beziehung der beiden tief erschüttert. Schmachvolle Worte trafen den unbeirrt altgläubigen Friedrich von Grumbach. Seine Frau habe er nicht zum Schweigen bringen können, einmauern hätte er sie sollen.

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Titelblatt der Flugschrift „Wye ein Christliche fraw des adels“ von Argula von Grumbach, gedruckt in Erfurt 1523